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„Die Beteiligung an EfA-Lösungen bzw. deren Nachnutzung kann Zeit, Ressourcen und Kosten sparen“

Interview mit dem Leiter des Referates 62 im MIK

- Erschienen am 29.04.2021

Jörn Seidenkranz leitet das Referat 62 im Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (MIK) seit der Einrichtung einer neuen, eigenständigen Digitalisierungsabteilung zu Beginn des Jahres 2019. Neben der landesweiten Koordination und des Monitorings des OZG reicht das vielfältige und spannende Aufgabenspektrum seines Referates, welches aktuell 11 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst, bis hin zu Fragen der Ausgestaltung des Portalverbundes und der Zusammenarbeit mit den Modellkommunen. Im Interview mit der TUIV-AG Brandenburg (Kommunale Arbeitsgemeinschaft Technikunterstützte Informationsverarbeitung im Land Brandenburg) geht Herr Seidenkranz auf die aktuell meist gestellten Fragen der brandenburgischen Kommunen ein.

Inzwischen wird vom IT-Planungsrat bei der OZG-Umsetzung primär auf die Nutzung zentraler EfA-Leistungen für Online-Angebote orientiert. Welche Möglichkeiten und Verpflichtungen ergeben sich daraus für die Kommunen?

Seidenkranz (MIK, RL 62): Das Prinzip „Einer für Alle bzw. Einer für Viele“, kurz EfA genannt, stellt eines von drei möglichen Nachnutzungsmodellen im Rahmen der Umsetzung des OZG dar. Nach diesem Modell entwickeln ein oder mehrere Bundesländer (Themenfeldfederführung bzw. Themenfeldmitarbeit) eine länderübergreifend einsetzbare Lösung. Der fachliche und technische Betrieb erfolgt dann durch eine Stelle. Im Rahmen der Nachnutzung sind ggf. nur noch kleine Anpassungen an lokale Gegebenheiten vorzunehmen. Darüber hinaus entstehen den nachnutzenden Kommunen bzw. Ländern keine Entwicklungskosten; die Betriebs- und Weiterentwicklungskosten werden entsprechend zwischen allen angeschlossenen Ländern und Kommunen aufgeteilt. Die Einhaltung und Einheitlichkeit von Servicestandards wie Nutzerfreundlichkeit bei EfA-Diensten werden durch vorherige Tests in Digitalisierungslaboren sichergestellt.
Eine Verpflichtung der Kommunen zur Umsetzung des EfA-Prinzips besteht nicht. Jedoch kann die Beteiligung an EfA-Lösungen bzw. deren Nachnutzung Zeit, Ressourcen und Kosten sparen. Deshalb sollte diese Option zumindest zu Beginn immer geprüft werden, um unnötige individuelle Aufwendungen im Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung zu vermeiden.
Der Bund stellt im Rahmen eines Konjunkturpakets „Digitalisierung“ insgesamt drei Milliarden Euro bis Ende 2022 zur Verfügung. Bis dahin ist also dann eine Finanzierung gesichert, wenn sich das Land gemeinsam mit „seinen“ Kommunen zur Nachnutzung von EfA-Leistungen ausspricht.

Wo ist abrufbar bzw. geregelt, welche Leistungen konkret und ab wann verfügbar sind, wie sich Kommunen diese nutzbar machen können und wer die Kosten und Folgekosten trägt?

Seidenkranz: Grundsätzlich sind alle zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen im OZG-Umsetzungskatalog aufgeführt, welcher 2018 vom IT-Planungsrat beschlossen wurde. Die jeweils aktuelle Version des OZG-Kataloges sowie weitere Informationen zu den bundesweiten OZG-Umsetzungsständen können auf der OZG-Informationsplattform des Bundes abgerufen werden unter: https://informationsplattform.ozg-umsetzung.de/ (Hinweis: kostenlose Registrierung für Nutzung notwendig). Über diese Plattform ist ebenso der sog. „Marktplatz der Nachnutzung“ verfügbar. Der Marktplatz bietet einen ersten Überblick über potentiell nachnutzbare Online-Lösungen und enthält Informationen zu technischen, rechtlichen und finanziellen Aspekten eines angebotenen Online-Services.
Kommunen erhalten bei der jeweils zuständigen OZG-Koordinatorin bzw. dem verantwortlichen OZG-Koordinator im Land Brandenburg weitere konkrete landesspezifische Informationen zu nachnutzbaren Online-Lösungen. Sofern seitens einer Kommune ein Nachnutzungsinteresse besteht, sollte dies gegenüber der jeweiligen OZG-Koordinatorin bzw. dem OZG-Koordinator angezeigt werden und - soweit zu diesem Zeitpunkt schon möglich – die Finanzierungsfrage geklärt werden. Die Kontaktdaten der OZG-Ansprechpartnerinnen und OZG-Ansprechpartner in den Ressorts finden Kommunen auf der brandenburgischen OZG-Seite unter: https://ozg.brandenburg.de/ozg/de/digitalisierungsprogramm/umsetzung-in-brandenburg/.
Im Brandenburgischen IT-Rat wurden zudem mit den Kommunalen Spitzenverbänden in Brandenburg prioritär umzusetzende Online-Leistungen beschlossen. Über die Sachstände können sich die Kommunen unter https://mik.brandenburg.de/mik/de/digitalisierung/it-rat-brandenburg/entscheidungen/ informieren.
Sofern für Kommunale Leistungen bisher keine Online-Antragsverfahren existieren, bietet der ZIT-BB den Kommunen ein Formularmanagementsystem für die Entwicklung an.
Generell wurde bislang weder politisch noch per Beschluss genau festgelegt, welche Kosten das federführende Land und welche das nachnutzende Land zu tragen haben. Diese Fragen sind spätestens im Rahmen des Abschlusses eines Verwaltungsabkommens vom federführenden Land zu klären und mit den nachnutzenden Ländern bzw. Kommunen abzustimmen. Ungeachtet dessen zeigen die bisherigen Erfahrungen bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen, dass die Themenfeldfederführer (aus den Konjunkturmitteln des Bundes) die Entwicklungs- und Beraterkosten sowie Betriebskosten zumindest bis Ende 2022 tragen. Das Land Brandenburg stellt den Kommunen gemäß § 11 BbgEGovG die IT-Basiskomponenten zur kostenfreien Mitnutzung bereit. Weitere Kosten können den Kommunen u. a. bei der Anbindung von IT-Basiskomponenten an ihre kommunalen Infrastrukturen entstehen.

Wie und wo können sich Kommunen trotzdem eigenständig und dennoch zukunftssicher beim Ausbau ihrer Web-Angebote betätigen und z. B. Online-Entwicklungen von Softwarehäusern einsetzen?

Seidenkranz: Neben Bund und Ländern sind ebenso alle Kommunen verpflichtet, sich aktiv an der OZG-Umsetzung zu beteiligen. Dies trifft insbesondere auf rein kommunale Verwaltungsleistungen (sog. „Typ 5-Leistungen“) zu, deren Regelungs- und Vollzugskompetenz und damit die Fachverantwortung zur Digitalisierung alleinig bei der kommunalen Ebene liegt. Nach aktuellem Stand (29.03.2021; siehe Infoplattform Bund: https://informationsplattform.ozg-umsetzung.de) umfasst der OZG-Katalog ca. 50 solcher zu digitalisierenden kommunalen Leistungen wie z. B. das Begrüßungsgeld, die Abfallgebühr oder die Hundesteuer.
Darüber hinaus sind Kommunen auch aufgefordert, Leistungen selbst umzusetzen und zu finanzieren, wenn sie ein vorhandenes Angebot seitens des Landes oder des Bundes nicht mitnutzen wollen. Denn an die Umsetzung des Einer-für-Alle-(EfA)-Prinzips sind die Kommunen nicht gebunden. Sie können frei entscheiden, ob sie sich einer digitalen Lösung, entwickelt durch die Themenfeldfederführer, anschließen oder nicht. Unterstützung bei der Eigenentwicklung können Kommunen beim Zweckverband Digitale Kommunen Brandenburg (DIKOM BB) oder beim Kommunalen Anwendungszentrum (Kaz) des Brandenburgischen IT-Dienstleisters (ZIT-BB) erhalten, welches aktuell zu einem landesweiten Kompetenzzentrum ausgebaut wird.
Beispielhaft für einen Einstieg in digitale Strukturen ist die vom Land Brandenburg geförderte Smart Village App. Durch die Pilotkommune Bad Belzig konnte die App im Jahr 2019 den Betrieb aufnehmen und wird seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Im vergangenen Jahr wurde eine Schnittstelle zum Rathaus-Informationssystem implementiert. Ein Push-Nachrichten-Dienst wurde ebenso umgesetzt, damit können Bürgerinnen und Bürger gezielte Informationen erhalten, wie beispielsweise Warnmeldungen aus der Region oder Erinnerungen für Termine mit der Behörde.
Bisher nutzen zehn Brandenburger Kommunen die Smart Village App. In diesem Jahr können weitere zwanzig Kommunen durch das Ministerium des Innern und für Kommunales bei der Nachnutzung der Smart Village App (mit jeweils 20.000 Euro) gefördert werden. Die Förderung zielt darauf ab, Kommunen finanziell beim Einstieg bzw. bei der Erweiterung von digitalen Strukturen und Geschäftsabläufen zu unterstützen. Weiterhin spielt die Vernetzung der Kommunen untereinander eine wichtige Rolle im Rahmen der Digitalisierung. Bereits entwickelte Funktionen der App können, aufgrund des Open Source-Angebotes, durch alle Netzwerkteilnehmer des Smart Village-Verbundes übernommen werden.
Die Smart Village App ist also ein wichtiger Baustein im Gesamtpaket der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen und unterstützt durch die individuell anpassbaren Inhalte die Eigenständigkeit der Kommunen.

Das Interview führte Wolfram Ebeling, Geschäftsführer der TUIV-AG Brandenburg, und wurde zuvor erstmalig im TUIVnet veröffentlicht. Die TUIV-AG Brandenburg wurde 1991 als kommunale Arbeitsgemeinschaft gegründet, um für die Brandenburger Kommunalverwaltungen eine Plattform zur gemeinsamen Lösung der Aufgaben und Probleme auf dem Gebiet der Technikunterstützten Informationsverarbeitung zu schaffen, ohne in die Hoheit der einzelnen Mitglieder einzugreifen.

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Datum
29.04.2021
Rubrik
OZG , Interview , TUIV-AG Brandenburg , Kommunen , EfA
Kontakt
Referat 62 ozg@­mik.brandenburg.de